Boris Borisov, ein Zellengenosse von Kuksov, wurde auf Ersuchen des Anwalts Alexander Fedulov per Videokonferenz aus dem Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in dem er sich befindet, verhört. Der Zeuge teilte dem Gericht mit, dass er seit etwa zwei Monaten in derselben Zelle mit Wassili Kuksow ist – ab November 2017. Der Nachbar habe weder über Politik noch über seine Anschuldigungen gesprochen – er habe nur gesagt, er sei „wegen dem 205ten inhaftiert“:
„Vasya saß die ganze Zeit auf seinem Bett, sang seine berührenden Lieder [Kuksov ist Musiker] und schrieb Briefe an seine Familie. Es gab viele Fehltritte [seitens des Personals des Untersuchungsgefängnisses]: Selbst als er schlief, wurden ihm Beschwerden vorgelegt und Berichte erstattet. Und er [Kuksov] war verwirrt und verstand nicht, was los war.“
Ihr anderer Zellengenosse namens Fomin versuchte Borisov zufolge, ihn und Kuksov zu “irgendeiner Art von Unterhaltung” zu bringen und “verschwand alle zwei oder drei Tage irgendwohin”.
Anwält*innen zufolge war er es, der vor Gericht als geheimer Zeuge der Anklage unter dem fiktiven Namen „Lisin“ aussagte. Dabei wiederholte er praktisch wörtlich sein Zeugnis von den Ermittlungen im April 2018. “Lisin” sagte, dass Kuksov angeblich in der Gruppe sei, die den “Maidan” in Russland vorbereitet habe: Geplant gewesen sei, die Büros von “Einiges Russland” anzuzünden, Polizeistationen und Waffendepots zu besetzen und “die Polizei und Militär anzugreifen”. “Bevor er die Zelle wechselte glaubte Kuksov immer noch an die Revolution und freute sich sehr auf die Präsidentschaftswahlen, in der Hoffnung, dass seine verbleibenden Kameraden die Macht ergreifen und ihn aus dem Gefängnis holen würden”, sagte Lisin vor Gericht.
Danach sagten drei neue Zeugen der Verteidigung aus – Ilya Shakurskys Stiefvater Oleg Konovalov, sein Onkel Sergei Shakursky und seine Klassenkameradin Anastasia Anisimova. Alle erinnerten sich positiv an den Angeklagten.
Ilya Shakurskys Stiefvater Oleg Konovalov erinnerte sich an den ersten Anwalt seines Stiefsohns Michail Grigoryan.
Konovalov bestätigte das Zeugnis von Shakurskys Mutter über Grigoryan. Gemäß ihm hat der Rechtsanwalt darauf bestanden, dass Ilya die Terrorismusanklage annimmt und alle Papiere unterzeichnet, die der Ermittlungsbeamte vorbereitet hat:
„In den ersten Monaten nach der Festnahme durften wir Ilja sehen. Der Anwalt Grigoryan stimmte diesem Treffen mit dem Ermittler Tokarev zu. Elena [Bogatova, Shakurskys Mutter] und ich kamen zur FSB-Direktion [in der Region Pensa], Tokarev führte uns durch, Ilja war in einem Käfig. Meine Frau war hysterisch und weinte meistens. Und ich riet ihm, nichts zu unterschreiben, wenn nicht schuld war. Er sagte, er sei an nichts schuld.“
Im April 2018 besuchte Oleg Konovalov erneut die FSB-Direktion. Er erinnerte sich, dass der Ermittler Tokarev an einem der Tage seine Frau anrief und darum bat, zu 18 Uhr zu kommen. Konovalov kam mit ihr:
„Tokarev traf uns am Tor und führte uns in sein Büro, wir sprachen dort. Ilya sahen wir diesen Tag nicht. Der Ermittler sagte uns, dass Ilja mit Teil 2 von Artikel [205.4 des Strafgesetzbuchs, Teilnahme an einer terroristischen Organisation] einverstanden gewesen sei, da es sonst Teil 1 geworden wäre [Organisation iener terroristischen Vereinigung]. Und er hatte auch von Ilya die Bestätigung gefordert, dass Pchelintsev ihm die Waffe zur Aufbewahrung überreichte.
Schakurskijs Onkel Sergei sagte vor Gericht aus, dass er immer eine enge Beziehung zu seinem Neffen hatte und ihn gelehrt hatte, was gut und schlecht ist. Er erinnerte,als er mit Schakurskijs Mutter im Februar 2018 zu Besuch war. Er sagt, den Besuch oganisierte Anwalt Grigoryan unter der Bedingung Ilja zu übezeugen sein Geständnis nach Teil zwei des Paragrafen 205.4 (Teilnahme an terroristischer Vereinigung), damit er nicht Teil eins bekommt (Organisation einer terroristischen Vereinigung. Das Treffen fand laut Sergeij in Gebäude des FSB mit dem Ermittler Valerij Tokarev statt. Bei dem Bericht über das Treffen beginnt der Zeuge sogar vor Gericht an zu zittern.
„Iljas Mutter flehte ihren Sohn auf Knien an zu unterschreiben, um ihn zu retten und damit er am Leben bleibt. Und Ilja sagte, dass er unterschreibt, damit er nicht noch mal in den Keller gebracht wird. An seinem Gesichtsausdruck und Blick wurde deutlich, was er mit Keller meinte. Er sagte mir „Serjoga, wem glaubst du? Ich vertraue dem Anwalt nicht. Ich hab nichts gemacht, wir haben uns überhaupt nichzusammengeschlossen. Das ist absurd und fabriziert.“
Shakurskys Kommilitonin Anastasia Anisimova teilte dem Gericht mit, dass Shakursky versuchte, ein Kollektiv aufzubauen und dass nach seiner Verhaftung das Kollektiv auseinanderbrach. Wie andere Zeugen bestätigte auch sie Shakurskys persönlichen Konflikt mit Pchelintsev – sie sagte, sie habe Ilya am Tag vor seiner Verhaftung mit Spuren ihres Kampfes gesehen.
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