Das Militärgericht des Wolga-Bezirks fügte den Fall-Materialien die Ergebnisse der Öffentlichen Beobachtungskommmission zur Folter vom am 4. Februar und 16. Oktober 2018 bei.
Der Angeklagte im Fall „Netzwerk“, Maxim Ivankin, erklärte während der Anhörung vor dem Landgericht Pensa, er habe im Fall der Terrorgemeinschaft „Netzwerk“ unter Druck von FSB-Beamten ein “Geständnis” abgelegt.
WER IST MAXIM IVANKIN?
Maxim Ivankin wurde in dem Dorf Bessonovka (7 Kilometer von Penza entfernt) geboren und ist dort aufgewachsen. Er absolvierte die Handels- und Wirtschaftsschule in Pensa mit einem Abschluss als Kochtechnologe und diente in der Nordflotte. Während der Schule und Hochschule interessierte er sich für Literatur. Nach der Armee konnte Maxim keinen offiziellen Job bekommen. Während des Prozesses sagte Ivankins Vater, dass sein Sohn “dort Geld verdient hat, wo sie ihm Geld bezahlt haben”.
Am 30. März 2017 wurde er wegen des Verdachts des Drogenhandels inhaftiert. Dies geschah vor dem „Netzwerk“-Fall . Er bekannte sich schuldig und erhielt für ungefähr zwei Wochen die Auflage, den Ort nicht zu verlassen. Ende April 2017 floh er mit Michail Kulkow nach Moskau, ebenfalls späterer Angeklagter im Netzwerk-Fall.
Ivankin und Kulkov wurden am 4. Juli 2018 in Moskau festgenommen – bereits wegen Terrorismusverdachts und Beteiligung an der Vereinigung „Netzwerk“. Laut der Staatsanwaltschaft war Ivankin “Späher” – er untersuchte das Gelände und die Objekte angeblicher Angriffe, lehrte Überlebensfähigkeiten und Topographie.
Maxim Ivankin gab die Schuld am Drogenhandel zu, die Teilnahme an der terroristischen Vereinigung „Netzwerk“ aber nicht.
ÜBER DAS LEBEN VOR DEM „Netzwerk”
Über den “Blitz” und den Anarchismus
„Am College war ich studentischer Aktivist. Bei einem der touristischen Treffen nahm ich am “Blitz” teil. Bei einem anderen Mal, wurde über Anarchismus diskutierten, und ich begann mich dafür zu interessiert. Es hat sich mit studentischen Aktivitäten und Musik alles gut gefügt.“
Über “Masyan”
„In den sozialen Netzwerken hatte ich den Fake-Account “Artem Masyanin”, sie nannten mich “Masyan”. Manchmal nannten sie mich “Ivan” – [abgeleiteter Name] vom Nachnamen. Ich habe damit angefangen, als die Neonazi-Bewegung in Pensa eskalierte. Im College hörte ich, wie über [Ilya] Shakursky gesprochen wurde, der auf YouTube berühmt wurde [das Video „Der Mann, der von Nazis umzingelt ist und keine Angst hatte, seine Meinung zu äußern“ vom 7. Dezember 2016 mit mehr als 600.000 Aufrufen auf YouTube].“
Über penzaer Neonazis
„Man musste sich vor Neonazis und Radikalen in Acht nehmen. Sie [die Neonazis] empfanden jede informelle Erscheinung als „eine rote Socke“. Es kam zu Zusammenstößen [von Antifaschisten mit Neonazis].“
Über die Beziehungen zu Personen, die am “Netzwerk” beteiligt sind
„Von allen [Angeklagten] kenne ich nur [Mikhail] Kulkov – seit 2010 sind wir in derselben Klasseim College <…>. Ich habe [Ilya] Shakursky in den Jahren 2010–2012 auf Veranstaltung getroffen, und wir waren uns über antifaschistische Ansichten einig. Als ich Konflikte wegen meines informellen Aussehens hatte, begann ich Thai-Boxen. Dort habe ich [Andrey] Chernov getroffen, es war im Jahr 2013. Ich traf [Dmitriy] Pchelintsev nach der Armee im Jahr 2016 beim freemarket [Kleidertausch]. Sagynbaev traf ich im Jahr 2017.
Über Wandern und Schießen
„Ich schieße seit der Schulzeit. Im Herbst 2016 kaufte ich [ein Jagdgewehr], eine “Saiga”, zum Zwecke des Sportes. <…> Als ich [Dmitry] Pchelintsev traf, war er an einem Schießstand tätig. Einmal ging ich zu ihm [zum Schießstand]. <…> Im Jahr 2016 zelten die Jungs und ich und wir spielten Airsoft. Es gab verschiedene Szenarien, Schnitzeljagden und Rollenspiele im Wald. Terroristengemeinschaft, Feldgänge und Anweisungen von Pchelintsev [nach neuen Mitgliedern für die Vereinigung suchen] – das ist völliger Unsinn.“
ÜBER DEN DROGENFALL
Über Schuldeingeständnis bezüglich für Drogen
„Ich gebe die Schuld bezüglich der Drogen zu. Wie ich später feststellte, fällt das, was ich getan habe, unter den ersten Teil von Artikel 228 des Strafgesetzbuchs [„Illegaler Verkauf und Vertrieb von Drogen“].“
Wie Lieferungengemacht wurden
„Ende März 2017 beschlossen wir [Mikhail] Kulkov und ein anderer Freund, einen Spaziergang zu machen. Er [Kulkov] sagte, dass er Drogen bei sich hatte. [Beim Gehen] bückte er sich mehrmals und mir wurde klar, dass er eine Lieferung machte. Das hat mir nicht wirklich gefallen, aber ich wollte es so schnell wie möglich zu Ende bringen, und ich half ihm bei der Suche nach Adressen – er [Kulkov] hat ein schlechtes Sehvermögen.“
Über Drogenhaft
„Als die Strafverfolgungsbehörden eintrafen, fanden sie nichts bei uns [bei Kulkov], aber sie fanden Abpackungen in der Nähe vor Ort . [Ich] wurde zur Polizei gebracht. Das Verhör fand in der Nacht [1. April 2017] in verschiedenen Büros der [Polizeidienststelle] statt, verschiedene Angestellte kamen. Essen und Schlafen wurde uns nicht erlaubt.
Über das Drogengeständnis
„Ich habe dem Ermittler freiwillig Zeugnis gegeben. Kulkov bot mir weder an, Drogen zu verteilen, noch bot er mir dafür Geld an. Er kannte meine negative Einstellung zu Drogen. Als ich in der Abteilung verhört wurde, fragten sie mich nach dem Auftraggeber der Drogenverteilung. Ich wusste nichts darüber.“
Über die Flucht
„Mein damaliges Wissen reichte nicht für eine adäquate Einschätzung des Geschehens aus. Ich wollte nicht, wie ich in diesem Moment annahm, ins Gefängnis. Ich blieb zwei Wochen bei Freunden, kontaktierte [Mikhail] Kulkov, sprachen uns ab und flohen zusammen nach Moskau. Wir verdienten Geld auf Baustellen.“
ÜBER DEN NETZWERKFALL
Über die Inhaftierung in Moskau
„Anfang Juli [2018] gingen wir [Kulkov] spazieren. Wir wurden in sehr rauer Form festgenommen, zu Boden geworfen und in die Abteilung [FSB in Moskau] gebracht. Sie sperrten uns drei Tage lang in Einzelhaft und brachten uns dann in die operative Abteilung der [FSB-Direktion für die Region Pensa].“
Über das Verhör in Penza
„In der operativen Abteilung des FSB in Pensa haben sie mich an die Wand gestellt, es sah lächerlich aus. Ich wusste bereits von der Folter von [Dmitry] Pchelintsev und [Ilya] Shakursky aus den Medien. Ich verstand, dass mir etwas Ähnliches passieren könnte. Ich fragte, ob sie mich foltern würden, worauf sie antworteten: “Natürlich.” <…> Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt bereits Körperverletzungen.“
Auf Druck der FSB-Offiziere
„Sie brachten mich zum Agenten [Vyacheslav] Shepelev: Er stellte sich nicht vor, aber ich fand später seinen Namen heraus. Er hat eine schlechte Angewohnheit: Er mag es, scharfe Gegenstände in seinen Hände zu drehen und sie einem ins Gesicht zu halten. Schreibwarenmesser, Nadeln. Er wollte, dass ich die gleichen Aussagen mache wie [Dmitry] Pchelintsev, [Ilya] Shakursky, [Egor] Zorin. Er wies darauf hin, dass mit dem „228. Artikel [über Drogen] alles gut wird“ und dass „andere Leute Geständniserklärungen abgeben werden“. Mir wurde klar, dass sie erneut gefoltert wurden. [Shepelev] sagte, was passieren würde, wenn ich mich weigere. Ich wollte nicht meine Gesundheit verlieren, es war wirklich beängstigend.“
Über das Zeugnis der “Einpaukerei”
„Sie gaben mir die Geständnisse von Zorin, Shakursky und Pchelintsev über terroristische Aktivitäten zu lesen und ließen mich die Nacht unter der Treppe in einem Käfig verbringen. Sie zeigten mir die Dokumente “Kodex”und “Position”. Ich las sie. Von mir wurde gefordert, dass ich die Wanderungen mit den Worten „Feldausgänge“ beschreibe, die Worte „Kampfzellen“ und „die derzeitige Regierung und die Verfassungsordnung stürzen“ verwende. Im Leben drückte ich mich nicht so aus, wie während des Verhörs. In dieser Nacht habe ich kaum geschlafen. Ichberief mich auf den 51 Artikel der Verfassung [Weigerung, gegen sich und seine Verwandten auszusagen]. Er bekannte mich nicht schuldig.“
Zum „Trost“der FSB-Offiziere
„Vor der Überführung in die Untersuchungshaftanstalt kam [FSB-Agent Wjatscheslaw] Shepelev erneut zu mir. Als er erfuhr, dass ich mich auf den 51. Artikel bezogen hatte, entglitt ihm das Gesicht, dass ich bereute, mich auf ihn bezogen zu haben. Ich tröstete ihn, dass ich alles zugeben würde, nur bisher schlecht die Zeugnisse der Jungs studiert hatte. Er sagte, dass er mit mir wie mit den anderen Jungs arbeiten müsse. <…> Einige Tage später wurde ich zur Vernehmung beim FSB aus der Untersuchungshaftanstalt entlassen. <…> Das Verhör wurde von [FSB-Ermittler Valery] Tokarev durchgeführt. Shepelev drohte mir mit dem gleichen Schicksal der anderen [Angeklagten]. Deshalb habe ich den Anwälten nicht gesagt, wie ich das Geständnis gegeben habe.
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