Bei den Anhörungen am 19. und 20. Juni befragte das Wolga-Garnisonsgericht in Pensa die geheimen Zeugen Lisin (“Fuchs”), Wolkov (“Wolf”), Saijzev (“Hase”) und Snupov (“Snoopy”).
Anhörung des Zeugen Lisin
Wassili Lisin, teilte dem Gericht mit, dass er von Mitte Oktober bis Anfang Dezember 2017 in einer Zelle mit Wassili Kuksow in der U-Haft saß. Er gab nahezu wortwörtlich sein Aussage, die er am 5. April 2018 für die Untersuchung abgegeben hatte, wieder. Ihm zufolge sprachen sie in der Zelle oft über Politik. Kuksov hätte sagte, dass er und andere vom FSB (Inlandsgeheimdienst) des Terrorismus verdächtigt wurden, nur weil sie nicht mit dem Putin-Regime und den Behörden des Landes einverstanden waren. Kuksov glaubte immer noch an die Revolution und freute sich auf die Präsidentschaftswahlen in der Hoffnung, dass seine verbleibenden Genossen die Macht ergreifen und ihn aus dem Gefängnis holen. Des weiteren sagt er, das Kuksov zu der Gruppe gehörte, die den Maidan in Russland vorbereitete: Er plante, die Büros von “Einiges Russland” niederzubrennen, Polizeistationen und Waffendepots zu beschlagnahmen. Sie hatten nicht vor, “normale Leute” anzugreifen, versicherte Lisin, “nur” die “Bullen” und das Militär – deshalb verstand Kuksov nicht, warum er und seine Genossen als Terroristen galten. Auf die Frage, wo sich Kurdistan befinde, antwortet Lisin nicht – obwohl es sich auch im Text der Befragung von Lisin befindet.
Wassili Kuksow teilte den Richtern mit, dass er sich in der Zelle Nr. 94 befand, in der sich weitere fünf bis sechs Personen befanden. Er sagte, dass er den Namen des Zeugen kennt: Er heißt Alexander.
“Ich habe ihm [dem Zeugen] gerade gesagt, warum ich hier [in der Untersuchungshaftanstalt] bin und habe gesagt, dass ich kein Terrorist bin. Ich habe ihm keine Einzelheiten mitgeteilt – weder über Kurdistan, noch über Waffen oder über Anarchismus -, weil es zu dieser Zeit noch gar keine Unterlagen zur Strafsachen und geschweige denn solche Formulierungen gab “, sagte Kuksov dem Gericht.
Anhörung des Zeugen Wolkow
Dmitri Wolkow war zufolge der Staatsanwaltschaft Anfang Februar 2018 in einer Zelle mit Dmitri Pchelintsev.
Er wiederholte sein Zeugnis von der Voruntersuchung am 2. April 2018. Sie enthalten das gleiche Gerede über Anarchismus, Maidan, die Vorbereitungen für die Revolution in Russland und Brandstiftung. Wolkow sagte, er habe mit Pchelintsev etwa eine Stunde lang in Gegenwart anderer Zellengenossen gesprochen und dass Pchelintsev 2011 persönlich das Gebäude eines der Pensaer Militärbüros niederbrennen wollte. Dmitry sagte, dass aufgrund dieser gleichgültigen feigen Müßiggänger in unserem Land keine Veränderungen vor sich gehen. Er sagte, dass er kein Terrorist sei, er wollte die Bullen und ihre Familien töten “, heißt es in Wolkows Verhörprotokoll. Er erklärte seinen Status als geheimer Zeuge, weil er Angst um sein Leben hatte. Im Protokoll des Verhörs sagte er, dass Pchelintsev ihm gedroht habe, wenn der Zeuge etwas über ihr Gespräch erzählte:
Auf die Frage der Anwälte, wie viele Personen sich in der Zelle befänden, sagte Wolkow, dass zwei bis vier Personen in der Zelle seien. Als er nach der Beleuchtung der Zelle gefragt wurde, sagte er, es hätte Tageslicht durch ein Fenster gegeben.
“Ich habe diesen Zeugen nirgendwo getroffen und seit dem 28. Oktober sitze ich in Einzelhaft ohne Fenster.” sagte Pchelintsev gegenüber dem Gericht.
Anwälte machten darauf aufmerksam, dass in Wolkows Verhörprotokoll keine Informationen über die Zellen der Netzwerkgemeinschaft in Moskau und St. Petersburg enthielt, er allerdings darüber vor Gericht spricht.
Anhörung des Zeugen Zaitzev
Anfang Februar 2018 will der Zeuge Igor Zaitsev mit Dmitry Pchelintsev in einer Zelle im Untersuchungsgefängnis gesessen haben und traf einige Tage später Wassili Kuksow. Während des Prozesses wiederholte Zaitsev praktisch Wort für Wort seines Verhörprotokolls. Er erfuhr von Pchelintsev, dass in Zukunft alles von einem „leistungsstarken Computer“ gesteuert wird, und Pchelintsev selbst will losfliegen, um den Mars zu kolonisieren, weil „die Kapitalisten es ihnen auf der Erde nicht erlauben, sich frei zu entwickeln“. “Er sagte, dass es in Russland und auf der ganzen Welt viele Menschen gibt, die bereit sind, gegen das Regime vorzugehen – aber dass es auch Maulwürfe gibt, einer hat Pchelintsev und seine Brüder ans FSB verpfiffen”. In seinem Protokoll berichtet er über den Maidan, die Untergrabung der “Bullen” und des Militärs sowie über “Pchelintsevs Kameraden, die auf freiem Fuß sind, werden ihm bald helfen und ihn rausholen.” Als Zaitsev Kuksov getroffen haben will erzählte ihm Kuksov angeblich in zwei Stunden von den Vorbereitungen der Revolution, Maidan und dem Verräter, weshalb sie von “Bullen” gefasst worden sind. Er erklärte, als er in eine Zelle kam, war Kuksov bereits dort und er wurde zusammen mit Pchelintsev in eine andere Zelle gebracht. Zaitsev konnte die Frage der Anwältin Oksana Markeeva nach der Größe der Zelle nicht beantworten.
Anhörung des Zeugen Snupov
Der Zeuge Snupov will Ende August 2018 Mikhail in der Gefangenensammelstelle getroffen haben, der sagte eine ausgebildete Person zu sein, weil er mit 10 Freunden im Wald mit Waffen trainiert hatte. Er hätt erzählt, dass das Leben in Russland schlecht ist, es notwendig ist, sich auf den Bürgerkrieg vorzubereiten.
Auf die Frage des Anwalt, warum die Aussage vor Gericht wörtlich dem Protokoll seiner Vernehmungen während der Ermittlungen übereinstimmt, antwortet der Zeuge, dass er ein gutes Gedächtnis habe. Auf Nachfragen des Anwalts haben sie Angefnagen über den Fall zu sprechen und Mikhail hätte gesagt “Dass er des Terrorismus beschuldigt wird.” In der Unterhaltung hüätte Mikhail auch gesagt, “dass es notwendig sei, gegen Russland zu kämpfen”. Der Zeuge sagt weiter, dass er Mikhail nicht beschreiben, aber unter den hier anwesenden jetzt identifizieren könne. Auf Nachfragen antwortet der Zeuge, dass Ermittler Tokarev mit ihm das Protokoll aufgenommen hätte.
Abschließende Kommentare der Verteidigung
Laut den Anwälten wurden geheime Zeugen wegen Lücken in den Untersuchungsunterlagen und Mangel an Beweisen in den Fall gebracht.
“Meiner Meinung nach ist dies nicht nur Ironie, sondern Spott, schwarzer Humor”, sagte Pchelintsevas Anwältin Oksana Markeeva in einem Interview mit einer 7 × 7-Korrespondentin. Ihr zufolge wird der geheime Status von Zeugen in der russischen Justizpraxis nicht dazu benutzt, sie zu schützen, sondern um “die Staatsanwaltschaft erneut zu unterstützen”.
Die Anwälte glauben, dass die Weigerung, Aussagen zu machen und Fragen der Verteidigung zu beantworten seiens der geheimen Zeugen, auch ein Verbrechen ist. Laut Alexander Fedulov gibt es jedoch keine etablierte Praxis, und geheime Zeugen dürften dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Weiter argumentiert er: “Sie keine Beweise, deshalb benutzen sie geheime Zeugen. Wenn die Ermittler bereits “Mitschnitte” und echte Zeugen hatten, warum brauchen sie dann noch geheime Zeugen? Die Vernehmungen fanden im April 2018 statt, als die Untersuchung fast abgeschlossen war: Anscheinend fehlte etwas.”
Pchelintsevs Verteidiger stellte fest, dass die geheimen Zeugen gerade dann verhört wurden, als die Angeklagten gerade begannen von ihren erzwungenen Geständnissen zurückzutreten.
Die Verteifdigung schlossen nicht aus, dass der Text vom Papier vorgelesen wurde.
Die Zeugen sagten entweder schneller oder langsamer aus, die Geschwindigkeit änderte sich ständig. Es war, als würden sie von einem Blatt vorlesen”, sagte Oleg Zaitsev.
This post is also available in: Русский (Russisch)
Fehlerbericht
Der folgende Text wird anonym an den Autor des Artikels gesendet: