Der Antifaschist Ilya Shakursky, der beschuldigt wird, die „terroristische Vereinigung “Netzwerk“” gegründet zu haben, sagte auf einer Sitzung des Militärgerichts des Wolga-Bezirks in Pensa am 30. und 31. Mai aus.
Ilya Shakursky bekennt sich nicht schuldig. In den frühen 2010er Jahren begann er sich für Punkmusik zu interessieren, interessierte sich für Philosophie und Politik und beteiligte sich ab etwa 2012 an „verschiedenen Initiativen“ – zum Beispiel Umweltaktionen in seinem Heimatdorf Mokshan. Im Jahr 2014 absolvierte Shakursky die Schule und ging an die Pensa Pädagogische Universität.
Seine Tätigkeit erregte schnell das Interesse des Zentrums “E” [Abteilungen zur Bekämpfung von Extremismus, sind eigenständige Polizeieinheiten in allen Regionen Russlands, Anm.d.Ü.]. „Ich habe vergessen zu sagen, dass ich immer noch Anhänger des Antifaschismus bin. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen mit Nazis, die bei Konzerten die Leute angriffen, die ihres Erachtens nicht ins Bild passten.“ Shakursky wurde sowohl zur Polizeistation als auch zum Zentrum „E“ selbst bestellt. „Sie haben begonnen, Vorschläge für eine Zusammenarbeit zu unterbreiten. “Du bist ein Antifaschist, komm schon, du wirst uns die Faschisten zeigen.” Ich erklärte, dass ich ihre Arbeit nicht machen würde. Danach sagten sie zu mir: “Du willst dich nicht anfreunden mit uns? Dann werden wir zu Feinden.”
Nach diesem Treffen bekam der junge Mann Probleme an der Universität. Sicherheitskräfte versuchten Shakursky zu diskreditieren und wiesen ihn als Neonazi aus. Während dieser ganzen Zeit beschäftigte er sich weiterhin mit der Theorie des Anarchismus, die ein sehr vielfältiges Persdpektiven bot(“das ist eine endlose Diskussion”), schrieb Artikel, sprach auf Konzerten und Kundgebungen zum Gedenken an getötete Antifaschisten.
Nach dem Eintritt in die Universität zog Shakursky nach Pensa, wo er zunächst mit seiner Mutter in einer Einraumwohnung lebte und dann in die gegenüberliegende Wohnung umzog. Er fand Freunde, mit denen er Nahkampfkurse besuchte und Wanderungen machte.
2014 wurde der Antifaschist unerwartet berühmt, als Rechte nach einem Konflikt im Café ihre Auseinandersetzungen aufzeichneten (im Video ist Shakursky umgeben von einem Dutzend Gegnern, trinkt in Ruhe seinen Tee und wiederholt, dass „Faschisten **** sind“). Der junge Mann hat viele Freunde in verschiedenen Städten; Das Zentrum “E” [Abteilungen zur Bekämpfung von Extremismus, ANm.d.Ü.] interessiert sich auch für das berühmte Videos. Später traf sich ein FSB [Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offizier mit Shakursky, der das Angebot der Mitarbeit ablehnte. Das nächste Mal sah der Aktivist diesen Gesprächspartner der Spezialeinheit, als er bereits in der Haft war. In den Jahren 2015 und 2016 sprach Shakursky oft bei Kundgebungen und war nie „nicht geheim“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.
Verhaftung.”Erwarten Sie nicht, dass wir fair spielen”
18. Oktober 2017 wird Shakursky vom FSB [Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.] festgenommen. An diesem Tag fühlte er sich schlecht und ging nicht zur Uni. Er wurde energisch von Bekannten und der Mutter seines Freundes Jegor Zorin angerufen, die sagten, er habe nicht zu Hause geschlafen und sich nicht gemeldet. Zuerst dachte Shakursky, dass Zorin wohl bei Freunden oder einem Mädchen geblieben sei, aber seine Mutter war sehr besorgt, und so begann Shakursky vergeblich, die gemeinsamen Bekannten anzurufen. Das letzte Mal, dass er Zorin sah, war nach dem Abendessen am 17. Oktober. Nachdem er den ganzen Tag nach seinem Freund gesucht hatte, fuhr Shakursky am Abend mit dem Bus nach Hause.
Als sich der junge Mann dem Haus näherte, schlug ihn jemand nieder. Shakursky wurde gepackt, grob auf den Boden des Wagens gelegt und geschlagen und gefragt: „Von wem wirst du verhaftet?“. Sie schlugen mich, bis sie die Antwort erhielten: „Der FSB verhaftet mich“. “Ich verstand nicht, was geschah. Danach sagten sie zu mir: „Warum wirst du eingesperrt?“. Naja, da habe ich einfach nicht verstanden, warum ich eingesperrt wurde. Das erste, was mir einfiel, war, dass meine frühere Freundin Victoria Frolova verschwunden war, ihre Eltern sie suchten. Ich denke, vielleicht haben sie sich an sie gewandt und sie vermuten etwas – ich sagte es, aber es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall war. Bereits im FSB-Büro haben sie mir erklärt, was mir vorgeworfen wird.“
Dort wurde Shakursky erneut geschlagen und von ihm wurde verlangte, das Passwort für das Telefon rauszugeben. „Es war das einzige elektronische Medium, in dem es ein Passwort gab. Ich sagte ein Passwort aus vier Zahlen und einem Buchstaben, danach ließen sich von mir ab. Sie begannen sofort, meine Mitteilungen zu lesen.“
„Als ich dort ankam, sah ich dort Vasily Kuksov. Zuerst saß er nur mit Handschellen auf einem Stuhl, danach hörte ich Stöhnen im Nebenzimmer. Ich glaube, es war Kuksovs Stöhnen. Danach kam ein FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offizier mit einer Maske herein, er hatte einen Lappen in den Händen oder irgendwelche Verbände voller Blut. Er sagte, dass Kuksov blutete. Mir wurde klar, dass einige rechtswidrige Handlungen auch bei ihm angewendet wurden.“
Ein FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offizier – der, wie Shakursky später erfuhr Vyacheslav Shepelev hieß – sagte zu ihm: „Erwarte nicht, dass wir fair mit euch spielen.“ “Ich bin dann davon ausgegangen, dass etwas illegal passieren würde, was ich aber konkret nicht sagen konnte.” Shakursky wurde eine Haarsträhne entrissen, die Schlüssel weggenommen und er wurde mit zur Hausdurchsuchung genommen, bei der eine Nagelbombe und eine Makarov-Pistole unter seinem Sofa und der Fensterbank in der Küche gefunden wurden. “Zuerst haben sie eine rote Druckflasche gefunden, die ich zum ersten Mal gesehen habe.”
Danach hat einer der Mitarbeiter – höchstwahrscheinlich derselbe Shepelev – „darauf geachtet, unter das Sofa zu schauen“. Dort entnahmen sie eine Makarov-Pistole. “Ich habe nichts mit ihr zu tun und weiß nicht, woher diese Waffe kommt.” Es wurden keine Fingerabdrücke auf den Waffen und der Nagelbombe gefunden. “Ich denke, es wäre dumm, diesen Gegenstand von allen Fingerabdrücken, insbesondere von Partikeln, zu säubern und ihn dann unter dem Sofa in der Wohnung zu verstecken.”
Der FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Ermittler Valery Tokarev verhörte Shakursky zum ersten Mal gegen zwei Uhr morgens. “Ich gab anfangs an, dass ich nicht verhört werden wollte, ich hatte große Angst, ich war sehr besorgt, mein Kopf schmerzte von den zahlreichen Schlägen durch FSB-Offiziere, und ich sagte es ihnen. Aber er war hartnäckig und ich hatte solche Angst, dass ich dann doch dem Druck nachgab und erklärte, dass ich wandern gehe, all diese Leute kenne, aber es gab keinen Terrorismus. Ich habe keine Schuld eingestanden.“
Bei der ersten Vernehmung wurde Shakursky von einem zweckgemäßen Anwalt begleitet, und später erschien der Anwalt Michail Grigoryan, der von seiner Familie angeheuert worden war. Mit ihm gab er noch einmal eine Erklärung ab, die Schuld nicht anzuerkennen. „Ich möchte darauf hinweisen, dass meine Erklärungen in einer Sprache abgegeben werden, in der ich mich ausdrücke. Das heißt, ich habe keine Pseudonyme, Spitznamen oder Verschwörungsnamen genannt. Ich habe Wanderungen und Veranstaltungen nicht als “Feldausgängee” bezeichnet und so weiter. Ich benutzte solche Begriffe nicht, sie tauchten nur während der Verhöre mit Tokarev auf.”
Danach begannen „ständige Reisen: FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offiziere kamen – oder besser gesagt Wjatscheslaw Schepelew und meiner Meinung nach ein Angestellter namens Woronzow – in die U-Haft in den Untersuchungsraum”, die Shakursky zum FSB-Büro brachten. Die Verhöre fanden in Anwesenheit von Beamten statt, die „erklärten, was zu sagen ist“, auf Kopf und Körper schlugen, einschüchterten, mit Vergewaltigung oder mit „versenken“ drohten.
„Ich habe verstanden, dass mir nichts helfen wird, weil sie FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offiziere sind. Das Einzige, was ich hatte, war die Hoffnung, dass ich in der U-Haft selbst in Sicherheit war – obwohl sie in mein Untersuchungszimmer kamen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie dort zu mir kommen könnten. “
Shakursky bat Rechtsanwalt Grigorian ständig, sich mit Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in Verbindung zu setzen, um seinen Verwandten von seinem Zustand zu erzählen, aber er tat nichts. „Er sagte mir, dass sich niemand mit mir anlegen will, weil mir ein terroristischer Paragraf vorgeworfen wird, das heißt, mein damaliger Zustand war so, dass ich dachte, ich wäre mit dieser Situation allein. Und niemand wird mir helfen.”
„Langfristig schlug er mir vor, dass wir es vielleicht trotzdem zugeben sollten, weil mir der ersten Teil des Paragrafen unterstellen wird, und der ist viel härter als der zweite. Dem bin ich erlegen und habe angefangen zu bezeugen.“ Diese Geständnisse wurden mir „in einem der Büros des FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.], insbesondere von Vyacheslav Shepelev entnommen“.
Folter. “Warum belügst du das FSB?”
„Ich musste am 3. November 2017 zum Verhör, als ich zurück kam, sagten sie mir, dass ich wegen eines Verstoßes in den Karzer verlegt werde – dass ich während des Weckens nicht rechtzeitig aufgestanden sei. Ich bekam fünf Tage, gesagt hat mir das Urazgaliyev – soweit ich weiß, war er der Leiter der operativen Einheit in der Strafvollzugsbehörde. <…> Es war am Abend. Ich durfte nicht in meine Kammer, um einige Dinge mitnehmen konnte, obwohl sie es zugestehen hätten müssen – sie sagten mir nicht wohin sie mich brachten, weil sie nicht wollten, dass jemand weiß, wohin sie mich bringen.
Ich wurde in ein separates Gebäude gebracht, dies ist nicht das Gebäude, in dem ich mich befand und in dem ich in Haft saß. Zu dieser Zeit wusste ich nicht, wo sich die Strafzelle in der U-Haft befand und dachte, dass sie mich dorthin bringen würden. Ich hatte den ersten Eindruck, dass dies ein Keller ist, weil die erste Treppe, die ich am Eingang sah, eine kleine Treppe war. <…> Ich wurde den Korridor entlang geführt, es gab mehrere Räume auf der rechten Seite, ich wurde zum vorletzten gebracht, meiner Meinung nach war die Kammer sehr groß, es gab viele Betten, zwei große Fenster, ich war immer noch überrascht, denn ich hätte nicht gedacht, dass ein Karzer so aussehen würde.
Der Beamte des Bundesgefängnisdienstes hat mich dorthin gebracht. Als die Tür geschlossen war, sagte eine Stimme hinter der Tür zu mir: Setz dich an den Tisch und warte. Ich setzte mich. Es gab einen kleinen Tisch, eine Bank. Ich saß und wartete. Ich wusste nicht, wie dieser Vorgang abläuft.
Danach betraten drei maskierte Männer in Tarnuniformen und weißen Gummihandschuhen die Zelle. Sie trugen Masken, ich erkannte sie nicht, danach erkannte ich einen – es war Vyacheslav Shepelev, weil ich ihn ziemlich oft im FSB-Gebäude traf und seine Stimme hörte. Mir wurde gesagt, ich solle an die Wand in der Nähe des Fensters gehen und nur auf die Wand schauen, sie nicht ansehen. Ich habe diese Befehle ausgeführt, weil ich bis zuletzt gehofft hatte, dass nichts passieren würde und es einfach wieder Druck und Einschüchterung geben würde. Dann sagten sie mir, ich solle mich ausziehen.
Hier hatte ich solche Angst, dass mein erster Gedanke war, dass mit mir jetzt einfach … dass ich diese Kammer wohl nie wieder verlassen werde. Ich zog mich aus, woraufhin sie mir sagten, ich solle meinen Kopf senken und mich auf die Bank setzen. Ich setzte mich, mir wurden die Augen mit einem Tuch verbunden, ich war in meiner Unterhose und meine Händen waren hinter meinem Rücken mit Klebeband gefesselt. Eine Person war mir gegenüber, eine band mir die Hände und hielt mich an den Schultern fest, eine andere befand sich in der Nähe des Tisches – ich konnte es nicht sehen, ich denke es mir nur.
Dann fingen sie an, Kabel an meinen großen Zehen zu befestigen. Mein erste Gedanke, als ich mit den Händen gefesselt wurde, waren die beschlagnahmten Waffen – ich wusste, dass meine Abdrücke nicht darauf waren, und ich dachte, sie wollten mir nur eine Waffe in meine Hände legen, damit sie meine Fingerabdrücke drauf sind.
Bis zuletzt verstand ich nicht, für was sie mich foltern würden, weil ich doch alle Geständnisse abgab, um die sie mich baten. Die Kabel wurden angelegt und die erste Frage lautete: „Warum lügst du den FSB [Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.] an?“. Emotional begann ich zu erklären, dass ich den FSB nicht anlüge, dass ich alles sage, worum sie mich bitten. Das heißt, ich verstand, dass sie mehr Aussagen von mir wollten. Danach stellten sie mir Fragen, die ich zum Beispiel nicht beantworten konnte, wo sich andere Mitglieder der Organisation befinden. Das heißt, ich wusste erstens nichts von einer Organisation, und auch über diejenigen, die sie suchten, konnte ich nicht sagen, wo sie waren.
Sie fingen an, den Strom anzulegen. Also, es war mehrere Male, vielleicht fünf. Und zu dieser Zeit wurden mir solche Fragen gestellt. Danach wurde mir gesagt: “Warum machst du Witze während der Verhöre?” Also das heißt, es gab solche Momente, in denen der Ermittler Tokarev mir etwas erzählte und ich sagte: “Nein, schreiben wir es besser anders auf”, und das hat dem Ermittler Tokarev nicht gefallen. Und daraus schließe ich einfach, dass der Ermittler Tokarev über die Folterungen informiert war, die am 3. November an mir durchgeführt wurden.
Danach Vyacheslav Shepelev, der mich festhielt, weil die Schmerzen so unerträglich waren, dass meine Beine zitterten und ich die ganze Zeit von der Bank fiel … Und er hielt mich fest. Manchmal schlug er auf nach meinen Beinen, weil sie sehr stark zitterten – ich weiß nicht wovon, wegen den STromschlägen oder aus Angstt. Und er zog meine Unterhöse aus und drohte, dass er mich sogar vergewaltigen würde. Wenn ich weiterhin “spiele” oder jemanden herausreden will oder versuche, jemanden zu retten, wie er erklärte, können sie jederzeit kommen und … Anscheinend haben sie es getan, damit ich weiß, dass sie wirklich jeder Zeit in die U-Haft kommen können und mit mir machen was sie wollen.
In diesem Moment verstand ich wirklich, dass ich jetzt keine Gelegenheit mehr habe, mein Geständnis zu ändern, zumindest irgendwie zu korrigieren, zumindest irgendwie der Logik oder etwas anderem nachzugeben. Danach habe ich die Geständnisse des Ermittlers Tokarev nicht mehr gelesen, das ich und dann der Anwalt Grigoryan unterschrieben. Das heißt, ich erhielt sie zum Lesen – ich sagte nein, sie wurden meinem Anwalt gegeben, er las und unterschrieb alles, aber ich hab mich ihrer nicht angenommen. Ich las sie später, als ich die Fallmaterialien las.
Danach, als diese Folter endeten, banden sie mich los … nun, sie stopften mir trotzdem noch meine Socke in denMund, damit ich nicht schrie. Ich wurde freigelassen, ich ging an dieses Fenster, um mich anzuziehen, ich fing an, mich anzuziehen, mir wurde eine Frage gestellt … Nun, ich wurde besser gesagt gewarnt, niemandem davon zu erzählen – nicht Menschenrechtsaktivisten, keinem Anwalt, keinen Zellengenossen, sonst würden sie wiederkommen.
Sie fragten auch, wo mein Anwalt Grigoryan jetzt ist. Ich sagte, dass er nach Moskau ging, woraufhin sie mir sagten, ich solle mich ausziehen. Ich fing schon an zu schreien und flehte sie an, dass ich wirklich nicht wüsste, warum Grigoryan gegangen war und zu welchem Zweck. Anscheinend glaubten sie mir und sagten: “Okay, zieh dich an.”
Danach brachte ein U-Haft-Offizier Shakursky in den echte Karzer – und sie erlaubten ihm nicht, die notwendigen Dinge aus seiner Zelle mitzunehmen.
“In der Strafzelle begannen meine Panikattacke, ich konnte nach der Folter nicht einmal aufstehen, ich war in Tränen aufgelöst, ich versteckte mich in einer Ecke und konnte mich nicht einmal bewegen.” Der Inhaftierte rief den Aufseher, nach einiger Zeit kam ein Arzt und gab ihm eine Pille, und er schlief ein.
„Am nächsten Tag bin ich aufgewacht – ich hatte den gleichen Zustand. Nicht nur, weil ich gefoltert wurde, nicht nur weil ich nicht die Möglichkeit hatte, mich selbst und meine Angehörigen, die auch unter Druck stehen, irgendwie zu schützen, und nicht nur, weil mir eine Gefängnisstrafe drohte – sondern auch machte ich mir Sorgen, dass ich mich und andere verleumdet habe. Mein Gewissen konnte es nicht ertragen, dass ich gegen Menschen aussagen musste, die nichts mit dem zu tun haben, was mir vorgeworfen wird. “ Diesmal erhielt Shakursky eine Beruhigungsspritze.
An einem der Tageals, als Sharurskij in der Strafzelle war, wurde er vom Chef der operativen Abteilung Urazgaliyev gerufen, der ihm gesagt hatte “erzähl niemandem davon, weder Menschenrechtsaktivisten noch Journalisten, was hier vor sich geht, irgendjemandem.” “Sonst kann er mein Leben in der U-Haft sehr schlecht machen, er fing an mir zu sagen, wer hier die “Gockel” sind, wie man zu ihnen in die Zelle kommt und so weiter.” Urazgaliyev drohte mit anderen Problemen mit Zellengenossen. “Ich sagte ihm, dass ich mich nirgendwo melden würde, nur um meine Ruhe zu haben, gebe ich ein Geständnis ab und das ist alles.”
Rücktritt vom Geständnis und kniende Mutter
Im Februar 2018 tauchte Rechtsanwalt Anatoly Vakhterov in dem Fall auf. “Ich habe ihm auch von der Folter erzählt und alles erklärt.” Zuvor rief Urazgaliyev erneut Shakursky zu sich und verlangte, ein Papier zu unterschreiben, das niemand außer Anwalt Grigorian zu ihm gebracht werden dürfe. Shakursky stimmte nicht zu.
Nach der Geschichte über Folter zog er sein Geständnis zunächst zurück. Unerwartet wurde ihm ein Treffen mit seiner Mutter und seinem Paten genehmigt. Davor übte der Ermittler Tokarev Druck auf ihn aus und forderte, dass er sich zurück auf seine Geständnissen berufen soll, und sagte, dass Dmitry Pchelintsev, der seine Geständnis wiederrufen hattehatte, bereits seine Meinung geändert und die erforderlichen Papiere erneut unterschrieben habe.
„Ich habe verstanden, dass Dima zuvor gefoltert wurde, und warscheinlich immernoch gefoltert wurde. Denn wenn er sich von seinen Geständnissen zurücktritt, würde er wohl nicht einfach so wieder gestehen. Darüber hinaus zeigte Tokarev mit seinem ganzen Auftreten, dass dies genau der Fall sein wird. Er erklärte mir etwas im Sinne von: Die Mitarbeiter werden mit Ihnen unzufrieden sein. Ich fragte: “Werden sie mich foltern?” Er nickte.”
Shakursky glaubt, dass ihm ein Date erlaubt wurde, um ihm ein Gefühl der Angst zu verschaffen. “Meine Mutter, ängstlich, ging in Tränen auf die Knie, kniete nieder und bat mich, noch einmal zu gestehen, damit ich meine Schuld eingestehen würde, sonst wurde es viel schlimmer werden.” Der Zustand meiner Mutter machte einen starken Eindruck auf den Antifaschisten – nun verstand er, “dass die FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Offiziere nicht nur mit mir, sondern auch mit meinen Eltern alles tun konnten, weil ich sah, in welchen Zustand sie gebracht wurde”.
Nach dem Treffen mit meiner Mutter, “nachdem ich von der Option erfahren habe, dass ich immer wieder dorthin gebracht werde und sie mich mit Strom foltern werden, ging ich in das Büro von Tokarev und sagte per Videoaufnahme, dass ich dem früheren Geständnis zustimme.” Shakursky gestand den ganzen März, “weil er nicht sicher war, ob sie nicht wieder zu mir kommen würden.” Als er feststellte, dass der Fall wirklich öffentlich wurde, „beschloss er, das Risiko einzugehen“ und weigerte sich erneut, auszusagen.
Selbst bei Anwälten zögerte der Ermittler nicht, zwei Szenarien zu beschreiben: Entweder gibt Shakursky die Schuld zu und erhält eine Milderung der Anklage oder nicht – und bekommt den ersten Teil des Paragrafen. “Es war ein Handel.”
Die Überprüfung seiner Foltervorwürfe wurde nicht sehr gründlich durchgeführt. “Die Videokameras in der U-Haft wurden nicht untersucht, Zellengenossen, die mit mir in der Zelle waren, als sie mich zur Folter mitnahmen, wurden nicht befragt.” Der Strafvollzugs-Beamte, der ihn in die Zelle brachte, in der die FSBler [Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.] später kamen, wurde nicht befragt, und später antwortete der Ermittler auf die Frage, warum dies nicht getan wurde: “Weil niemand ihn zu Folter brachte.”
Treffen mit der ehemalige Freundin
Im Mai 2018 wurde die ehemalige Freundin von Shakursky, Victoria Frolova, inhaftiert – sie wurde in die FSB[Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation, Anm.d.Ü.]-Abteilung gebracht. Genau dorthin, wo auch der verhafteten Antifaschisten zum Verhör war. Sie trennten sich im Frühjahr 2017, aber Illya war Victoria immer noch nicht gleichgültig – und die Sicherheitskräfte wussten davon.
„Wenn die FSB-Offiziere meinen Computer ansehen, meine persönlichen Unterlagen ansehen, in mein persönliches Leben eintauchen, sehen sie alles: meine Tagebücher, meine Gedanken, meine Erfahrungen. Sie verstanden, dass ich trotz der Tatsache, dass ich mich von Victoria trennen musste, bestimmte Gefühle für sie empfand und noch während meiner Haft. Ich erklärte, dass wir vier Jahre zusammen waren, ich hatte ernsthafte Pläne, in Zukunft eine Familie zu gründen, mit ihr zu leben, aber alles brach zusammen. Und da sie wussten, dass ich einige Gefühle für sie hatte, beschlossen sie, auf diese Weise Einfluss zu nehmen. “
Der Ermittler Tokarev zeigte ihm eine Notiz von Frolova: Das Mädchen bat um Geständnisse und lehnte Anwalt Wachterow ab, sonst würden sie ein Verfahren gegen sie als Mitglied der Terrorgemeinschaft einleiten. Als Shakursky um ein Treffen bat, zeigte Tokarev ihm ein Video “wo Victoria am Tisch saß, wurde sie von einem Ermittler oder einem Beamten mit einer Kamera aufgenommen, [sie] weinte und sagte:” Sag es, sag es.” Sie weinte und sagte: “Ich kann nicht”.
Shakursky weigerte sich, irgendwelche Geständnisse zu unterschreiben. Danach wurde sie von dem Mitarbeiter der Srtrafanstalt Shepelev gebracht, der uns die Gelegenheit gab, uns zu sehen, aber uns nicht erlaubte, zu reden. Sie hat mich nur umarmt, wir standen buchstäblich eine Minute lang und das einzige, was ich ihr sagen konnte, war, dass wir auf einen Anwalt warten, der angerufen wurde. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen.”
Die Anklage. Airsoft, kein Terror
“Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich keiner Organisation beigetreten bin, umso mehr, ich habe niemandem etwas versprochen, ich habe keine Eide oder Unterschriften in Dokumenten gemacht, außerdem weiß ich nichts über die Existenz einer terroristischen Organisation oder Vereinigung, Gruppen und so weiter.” Die Rolle des Kundschafters, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet, erfüllte Shakursky nicht, er plante nicht, Militärregistrierungs- und Einberufungsämter, Polizeistationen und das Büro der Partei “Einiges Russland” anzugreifen.
Er erfuhr von der Existenz des Dokuments mit dem Namen „Zusammenkunft (2017)“ nur aus dem Material des Strafverfahrens. Gleichzeitig gingen ihm viele verschiedene Dokumente durch die Hände, die von jungen Menschen mit ähnlichen Ansichten geschrieben und diskutiert wurden.
In dem Vorwurf wird eine Person als nicht identifizierter Organisator der Vereinigung mit ihrem Namen oder Spitznamen Timofey erwähnt – es gab eine Person mit diesem Namen in Shakurskys Bekanntenkreis, aber sie wusste nicht viel über ihn und er erehielt keine Befehle von ihm.
Den Namen der Gruppe “Sonnenaufgang”, die die Staatsanwaltschaft als “Netzwerk” -Zelle ansieht, wählten Shakursky und seine Airsoft-Mitspieler für ihr Team. Der Name “5.11” wurde möglicherweise von anderen Airsoft-Teams verwendet, die die Kleidung und Ausrüstung der gleichnamigen Marke schätzen. Zorin und Kuksov waren zu dieser Zeit Freunde von Shakursky, daher konnten sie nicht unter seinem Befehlskomando stehen: “Es gibt keine Befehlkomandos unter Freunden”. “Sie waren keine Anarchisten”, betont der Angeklagte. Während Airsoft-Spielen trugen die Teilnehmer normalerweise Masken, aber nicht wegen Verschwörung – dies ist Teil der Ausrüstung. Im Video können Sie sehen, wie viele Menschen sie wegen der Hitze abnehmen, und ihr Gesicht nicht vor den Freunden verbergen.
Normalerweise benutzte Shakursky Telegramm, aber er musste es in der Kommunikation mit Leuten, die Jabber benutzen, eben das benutzen. Der Spitzname Spike tauchte zu seiner Zeit auf, als er als junger Mann in einer Punkband spielte und einen Iro aus „Nadeln“ trug, die als „Spikes“ bezeichnet werden. In Penza kannte ihn jeder mit diesem Namen. Bei Kundgebungen und einigen öffentlichen Veranstaltungen verwendete er die Pseudonyme „Igor“ und „Ruslan Krasnov“. “Ich habe unter solchen Bedingungen gelebt, ich hätte in jedem Moment von [Neonazis] angegriffen werden können. Es wäre dumm, wenn ich vor oder nach der Uni und in der Nähe meines Hauses oder des Eingangs immer meinen richtigen Namen und Nachnamen genannt hätte.” .
Shakursky erhielt tatsächlich eine Erlaubnis und kaufte 2016 ein Gewehr “Saiga”, weil er sich einmal ein Ziel gesetzt hatte: eine Hochschulabschluss, einen Führerschein, einen Reisepass und eine Waffenerlaubnis. […] Er hat es nicht geschafft, sich den Pass ausstellen zu lassne, aber alles andere hat er geschafft. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Aktivist vom Vegetarismus abgewandtd wollte Birkhühner jagen, aber er konnte seine Abneigung gegen Mord nicht überwinden. Einmal gingen Shakursky und Victoria Frolova zu einem verlassenen Steinbruch, um auf leere Kisten zu schießen.
Der Begriff “Feldausgang” tauchte in seinem Geständnis nur wegen des Ermittlers Tokarev auf. Eine der Versammlungen außerhalb der Stadt, die in den Protokollen als „Ausgänge“ bezeichnet werden, fand im Mai 2015 statt: Viele Menschen versammelten sich, einschließlich der derzeitigen Angeklagten. „Was haben wir dort gemacht? Tauziehenn, durch den Zaun laufen, ein buntes Video drehen.“
An einer anderen Veranstaltung in der Natur, die im selben Jahr stattfand, nahmen schon ganz andere Personen teil. “Wir wollten coole Videos mit Spezialeffekten machen.” Aus irgendeinem Grund erwähnt Jegor Zorin in seinem Geständnis nur Gäste aus Rjasan, obwohl Shakurskij Bekannter aus Nischni Nowgorod auch zu ihm kam – mit ihnen beschlossen sie, ein gestelltes Video zu machen. “Zorin sagt, dass dies eine Erstürmung sei, aber er kann nicht erklären, warum die “Molotow-Cocktails” gegen die Wand geworfen wurden. Ich werde erklären, weil es notwendig ist, im Video zu zeigen, wie die Wand brennt. Er sagte, dass Taktiken innerhalb des Gebäudes geübt wurden. Im Video ist dies nicht sichtbar, da ich das Video vom Dach aus gedreht habe. Zorin rennt rein, ruft etwas Obszönes und klopft an die Tür. Es wurden mehrere Aufnahmen gemacht, weil etwas nicht funktioniert hat.“
„In sozialen Netzwerken gibt es viele ähnliche Videos. Wenn Sie sich Videos von anderen Airsoft-Teams ansehen, die professioneller ausgebildet sind, verfügen sie über eine bessere Ausrüstung. Sie können das bei wunderschöne Musik ansehen und denken, dass dort eine Art Kampf ist, und kein Spiel.“ Auf dem Computer, auf dem Shakursky diese Fotos und Videos gespeichert hatte, gab es nicht einmal ein Passwort.
Den Teilnehmern an Airsoft-Spielen wurden Verantwortlichkeiten zugewiesen, sodass es „wie eine allgemeine Aktion aussah“, für jedes Spiel wurde ein Skript erstellt. Aber von Zeit zu Zeit versammelten sich junge Leute und diskutierten “einige Momente – historisch, philosophisch und so weiter”.
Eine Reise nach St. Petersburg und das Projekt “Wolja”
Shakursky erfuhr von dem Treffen in St. Petersburg, das die Staatsanwaltschaft als “zusammenkunft” der Zellen einer terroristischen Vereinigung bezeichnet, in einem der vielen Chats bei Telegram, in denen er beigetreten ist. Im Chat wurde berichtet, dass im März 2017 “in St. Petersburg man sich mit anderen Anhängern antiautoritärer Bewegungen aus anderen Städten treffen kann”. Der Antifaschist entschloss sich, dorthin zu gehen und nahm Zorin mit, der Pensa selten verließ und “am Reisen interessiert war”.
Eine Freundin, der mit zur Veranstaltung wollte, aber dann doch nicht konnte, gab ihm die Adresse. Es gab eine Menge Leute, sie kamen und gingen, „alle möglichen Leute saßen in Gruppen, es wurden verschiedene Dialoge geführt, man konnte sich kennenlernen und kommunizieren – der eine schaute sich Filme an, der andere diskutierte über Projekte, jemand kam nur zum übernachten oder Freunden zu treffen.“
Shakursky stellte bei einem Treffen sein Projekt mit dem vorläufigen Namen “Wolja” vor (“Dokumente über ihn befinden sich in den Unterlagen des Strafverfahrens”). „Im Allgemeinen ist dieses Projekt die Schaffung einer Plattform, deren Ziel es ist, Aktivisten für verschiedene organisatorische Aktivitäten zu vereinen und zu koordinieren sowie antiautoritäre Ideen durch die einen oder anderen Form von Aktivität zu bewerben. Das Hauptmerkmal der Plattform ist der Pluralismus von Bewerbung und Kampfmethoden“, las er vom Papier ab. Shakursky wollte mit seinem Projekt möglichst viele Aktivisten „zur Koordination und gegenseitigen Unterstützung“ zusammenbringen. Zu den Richtungen gehören Antifaschismus, Tierschutz, Überleben unter extremen Bedingungen, Tourismus, Wohltätigkeit und Bildungsaktivitäten.
Er schrieb das Dokument mit Hilfe seiner Bekannten und zeigte es einer Vielzahl von Menschen aus verschiedenen Städten, die als Teilnehmer oder Organisatoren, bezeichnet werden konnten – zum Beispiel eines Sportturniers. Das Projekt wurde offen angelegt und in sozialen Netzwerken diskutiert. Für seine Vorbereitung verwendete Shakursky insbesondere sehr unterschiedliche Literatur – das Buch „Koordinierungsplattform der Allgemeinen Union der Anarchisten“ von 1926, das von Peter Arshinov und Nestor Makhno verfasst wurde.
Nachdem sie die Nacht in Petersburg verbracht hatten, schauten sich die Freunde die Stadt an, trafen sich mit Freund von Zorin und fuhren zurück. Shakursky ist oft per Anhalter gefahren und als Musiker auf Tournee in andere Städte gereist.
Treffen mit den Angeklagten
Shakursky kann nichts über die in der Anklage aus Moskau erwähnten Unbekannten sagen – er kennt Moskauer Anarchisten und Antifaschisten, aber sie alle haben nichts mit Terrorismus zu tun. Viktor Filinkov und Yulij Boyarshinova, die im selben Fall in St. Petersburg vor Gericht gestellt werden, habt er vielleicht mal irgendwo gesehen, aber kennt sie nicht persönlich. Igor Shishkin hat er vielleicht mal bei einem Sportturnieren getroffen, stellte später er fest, dass der mit der Marke „Willpower“ zu tun hatte – vielleicht schrieb er mit ihm zwecks den Kauf von Kleidung, aber er kennt ihn nicht persönlich.
Shakursky lernte Andrej Tschernow aus Pensa kennen, wahrscheinlich bei einem Konzert im Jahr 2014, aber er kommunizierte mehr mit seinem Zwillingsbruder Alexey, der an der Organisation von Konzerten und Musikfestivals beteiligt war. Sie waren mit Andrej im selben Fitnessclub und lebten in der selben Gegend, trafen sich bei Konzerten, Wanderungen und Airsoft-Spielen. Tschernow hatte einen Airsoft-Antriebsvorrichtung, die Shakursky manchmal von ihm geliehen hatte, aber sie waren keine engen Freunde.
Andrej interessierte sich für Sport und Nahkampf, sie spielten in einigen Turnieren; Chernov ist Vegetarier oder Veganer. Während des Treffens in der St. Petersburger Wohnung, das die Untersuchung die “Zusammenkunft” nennt, war Chernov “meiner meinung nach auch, aber er war ein in einer anderen Personenkonstellation als ich und wir haben dort nicht wirklich kommuniziert.”
Shakursky traf Maxim Ivankin zum ersten Mal, nachdem er nach Pensa gezogen war, zuvor hatte er nur gehört, dass „es so einen Andersdenkenden gibt“. Er sah Michail Kulkow nur in Gegenwart von Iwankin und kommunizierte nicht mit ihm. Ich habe Yegor Zorin im ersten Jahr kennengelernt, das ist ein einfacher Typ vom Dorf, unpolitisch und ohne besondere Interessen.
Er kennt Wassili Kuksow seit etwa 2015 – er traf ihn bei einer Veranstaltung, sie hatte eine freundschaftliche Beziehung. Seit dem “Netzwerk”-Fall hat er zu allen inhjaftierten mehr Kontakt, aber besonders zu Kuksow. Er ist gebildet, fröhlich, gesellig, Kuksov ging auf Konzerte, half in einem Tierheim, studierte Musik. „Seine Haupttätigkeiten waren – sich zu hause ausruhen, zur Probe gehen oder auf der Arbeit sein. Na ja, und noch Sport.“ In Shakurskijs Telefon war der Freund als “Vasya” oder “Koks” gespeichert, niemand nannte ihn Maxim (dies ist Kuksovs geheimer Name laut der Staatsanwaltschaft).
Im Januar 2017 hörte Kuksov auf, mit seinen Gednossen Ausflüge zu machen. „Vasya sagte, dass er vorhat, Elena zu heiraten, mit der er zusammenlebte, dass er den Job gewechselt hat, damit er viel Zeit für sein Privatleben und seine Arbeit aufbringen muss und nicht mehr für Ausflüge, sagte er – Leute, ich gehen wahrscheinlich nicht einmal mehr zu Konzerten.“
Shakursky traf Dmitry Pchelintsev wohl zur gleichen Zeit, wie Chernov. Höchstwahrscheinlich auch auf einem Konzert. Shakursky bemerkt, dass er nie einen Konflikt mit Chernov hatte, aber Pchelintsev ihn eine Zeit lang fast hasste – sie hatten einen Konflikt wegen einer Frau, dessen Details er der Angeklagte nicht erzählen will. Sie stritten sich 2015, und Shakursky grüßte Pchelintsev nicht mal das ganze Jahr 2016. Als er zur nächsten Veranstaltung ging, erkundigte er sich sogar mit gemeinsamen Freunden, ob Pchelintsev dort sein würde, und wollte nicht hingehen, wenn er eine positive Antwort erhielt. Im Jahr 2017 beruhigte er sich, die beiden begannen sich wieder zu treffen und zu grüßen, aber es gab weder hochwertigen Gespräche noch enge oder freundschaftliche Beziehungen zwischen ihnen. Shakursky betont, dass er in Anbetracht dessen keine Befehle von Pchelintsev ausführen konnte, wie in der Anklage ausgeführt.
Im Jahr 2017 stritt sich Shakursky erneut mit seiner Freundin. Als Schuldigen verdächtigte er wieder Pchelintsev. Er trennte sich von dem Mädchen, und als sie später verschwand, vermutete Shakursky, dass Pchelintsev daran beteiligt war. Sie standen nicht in Kontakt, und er versuchte Dima, über dessen Frau Angelina zu kontaktieren. Das Treffen fand am 17. Oktober statt – wie sich später herausstellte, am Tag der Verhaftung von Zorin. Zu einem Gespräch kam es nicht, die beiden stritten sich wegen eines Missverständnisses: Shakursky beschuldigte Pchelintsev an der Trennung, und jeder sagte, dass Shakursky seine Familie zerstöre. Später war Shakursky überzeugt, dass Pchelintsev nichts damit zu tun hatte.
„Ich schätze, als Zorin festgenommen wurde, wurde anscheinend irgendeine Art von operativer Überwachung bei mir durchgeführt. <…> Der Operateur Shepelev selbst sagte in seiner Erklärung zu meiner Foltererklärung, dass die Verletzungen in Form eines blauen Flecks unter meinen Augen Pchelintsev verursacht hätten. Woher weiß er das? Es sei denn, er hat es selbst gesehen.“
Shakursky sah Arman Sagynbayev zum ersten Mal im Jahr 2015, als er nach Penza kam, um jemanden zu besuchen. Er stellte sich unter dem Namen Andrew vor – er setzte sich für gesundes Essen ein, brachte vegane Köstlichkeiten mit, er hatte sein eigenes Café. Shakursky war damals Vegetarier. “Wir haben auch mit ihm über wissenschaftliche Themen gesprochen, weil er sich dessen bewusster war als ich, ich war interessiert.”
2017 kam Sagynbayev erneut nach Penza und nahm an einem Airsoft-Spiel im verlassenen Karasik-Lager teil. Shakursky fuhr ihn dann mit dem Auto hin und erzählte ihm von einem örtlichen Nazi, der ihm Informationen über seine Mitstreiter in ganz Russland mitteilte – einschließlich der bewaffneten Gruppe in Tjumen.
Der geheime Zeuge – ein Nazi
2016 schrieb Vladislav Gresko selbst Shakursky und bot ein Treffen an, bei dem er herausfinden wollte, ob jemand von den Antifaschisten seine Freundin angegriffen hatte (das könne nicht sein, sagt Shakursky), und dann begann er plötzlich offen Fragen zu den Aktivitäten der Ultrarechten zu beantworten.
„Er fing an, offener über seine Bekannten und seine Aktivitäten zu sprechen, und später erklärte er sogar die Motivation seiner Offenheit: Er wurde von einigen Vertreter der Neonazi-Bewegung in der Stadt Pensa persönlich beleidigt. Natürlich hielt ich es für notwendig, die Situation auszunutzen und mehr Informationen von ihm zu erfahren, außerdem ging er darauf ein.“
Das Gespräch drehte sich um Airsoft, an dem auch die Ultra-Rechten großes Interesse hatten, und “er schlug vor, dass ich ein paar Workshops zu Airsoft-Taktik bei ihm besuche”. Es gab mehrere Airsoft-Meetings. Parallel dazu erfuhr ich von ihm von den Verbindungen der Penza-Neonazis zur Organisation Wotanjugend, der Misanthropic Division, möglicherweise sogar zu der in Russland verbotenen Organisation “Rechter Sektor”, die meines Wissens auf ukrainischem Gebiet tätig ist (Misanthropic Division und Right Sector sind als extremistisch eingestuft). Die Informationen waren wirklich interessant, ich war bereit, sie [den Strafverfolgungsbehörden] zur Verfügung zu stellen, aber alles befand sich auf meinem Computer.“
Gresko teilte Shakursky mit, dass einige der rechtsextremen Personen in Pensa gute Bekannte im Zentrum „E“ [Zentrum zur Bekämpfung von Extremismus, Anm.d.Ü.] haben und dass es in Tjumen eine bewaffnete Gruppe von Neonazis gibt. “Ich dachte, ich müsste ein bisschen mitspielen, um darüber zu sprechen, dass ich Interesse habe in Kontakt mit diesen Leuten zu kommen.” Shakursky begann über seine radikalen Ansichten zu lügen, um Vlad zu einer noch größeren Offenheit zu bringen. Eine sehr große Anzahl von Menschen wusste über ihren Kontakt Bescheid, nicht nur in Pensa, „einmal gab es ein Treffen zu dritt mit Arman Sagynbayev”.
Von eben diesem Gresko erfuhr Shakursky, dass Neonazis versuchten, ihn zu verfolgen. „Es hat den Punkt der Absurdität erreicht, sie haben herausgefunden, wo meine Mutter arbeitet – damals im bekannten Einkaufszentrum „Red Hills“ – vielleicht hat mich jemand an ihrem Arbeitsplatz gesehen. Danach warteten sie, folgten bis zum Bus, bis zum Haus und sahen sich den Eingang an. Sogar ihre Wohnungsnummer haben sie ausfindig gemacht, um zu erfahren, wo ich und meine Verwandten leben. Die Nazis wissen, wo meine Mutter wohnt, wo ich wohne, wo ich lerne. Und welche Informationen sie über mich haben, Vlad Gresko hat mir das alles erzählt, er hat einmal zu mir gesagt – du bist Iljah, und dein Nachname ist der hier, und mir hast du dich immer [mit einem anderen Namen] vorgestellt.“ Auf die Frage, woher er das alles wisse, antwortete er: „Weißt du, wir haben ein paar Leute, die mit dem Zentrum zur Bekämpfung von Extremismus in Kontakt sind.“
Shakursky wusste, dass es in Russland bereits Nazi-Gruppen gab, die ihre politischen Gegner getötet hatten, zum Beispiel BORN, und Penza-Neonazis hatten Schusswaffen. Er fürchtete ernsthaft um sein Leben.
“Später, als Vlad Gresko anfing anzurufen, gab es einen solchen Dialog: “Ich habe da so ein Buch gelesen, in dem Leute Bagger angezündet haben und noch andere Sachen gemacht haben, hör zu, in Penza können wir das auch!”. Bei uins gibts Polizisten, da könnte man was machen, wie er sagte. Ich erkannte, dass er über radikale Aktionen sprach und sagte, dass es nicht notwendig sei, dies zu tun. Er schlug zum Beispiel auch vor, eine Sprengkörper zu bauen, was am Ende nicht gemacht wurde, weil ich es wirklich nicht machen wollte, nicht einmal wusste, wie man es macht. Und er sprach über einige Dinge – zum Beispiel Ammoniak. Ich habe gerade aus der Untersuchung gelernt, was Ammoniak wirklich ist.“
Shakursky hat seine Treffen mit Vlad auf einem Kassettenrekorder aufgezeichnet und sogar Freunde gebeten, sie gemeinsam zu fotografieren. Alle diese Informationen wurden auf Shakurskys Smartphone gespeichert, das beschlagnahmt wurde und bereits formatiert zurückgegeben wurde. Sein Gesprächspartner zeichnete auch Gespräche auf – diese Aufzeichnungen waren in der Akte enthalten, aber Shakursky bezeichnete ihre Dekodierung als “sehr falsch”.
“Ich habe mich im Fall mit den Geständissen und Niederschriften vertraut gemacht und habe festgestellt, dass alle diese Gespräche mit ihm zu tun haben, dass dies der [geheime Zeuge] Kabanov ist, mit dem ich immer kommuniziert habe.” Nach der Verhaftung schrieb Shakursky mehrere Äußerungen über das seltsame Verhalten dieses Mannes, erhielt jedoch die Antwort, dass er als Zeuge verhört wurde und keine Gründe dafür vorlagen, ihn zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen.
„Ich schenke dem große Aufmerksamkeit, weil es als Hauptbeweis für meine Schuld herangezogen wird. In dieser Audioaufnahme gibt es keine Informationen über die Existenz der Terrororganisation “Netzwerk”, “Ausgänge”, und so weiter. Dies ist der wichtigste Beweis.“